Entwaldungsverordnung
Die Umsetzung der neuen EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) stellt Erstinverkehrbringer vor neue Herausforderungen.
Nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist dies die nächste große Aufgabe, die die Lieferkette unter Umwelt- und Sozialgesichtspunkten reguliert. In diesem Bereich können Sie den aktuellen Stand einsehen.
Kurzübersicht
Am 29.06.2023 ist nach Zustimmung des EU-Parlaments und der Mitgliedsstaaten die Verordnung (EU) 2023/1115 in Kraft getreten. Nun haben Industrieunternehmen und Händler sowie Im- und Exportfirmen nur wenige Monate Zeit, sich auf die neuen Regeln zu entwaldungsfreien Lieferketten einzustellen. Die Verordnung soll einen europäischen Beitrag zur Reduktion der weltweiten Entwaldung und damit zur Eindämmung des Klimawandels und Verringerung des Biodiversitätsverlusts sowie der Treibhausgasemissionen sowie der Förderung von Menschenrechten und der Rechte indigener Völker sicherstellen.
Hierzu sollen bestimmte Produkte legal nur dann vertrieben oder aus der EU ausgeführt werden, wenn sie entwaldungsfrei hergestellt und die Gesetze der Erzeugerländer eingehalten wurden.
Wesentliche Grundsätze der Verordnung sind Transparenz und Nichtdiskriminierung – inländische und importierte Waren und Produkte werden gleichbehandelt. Importe, Exporte und interner Handel werden abgedeckt.
Die betroffenen Erzeugnisse müssen ab 30.12.2024 entwaldungsfrei sein.
Das bedeutet, dass es auf den Erzeugungsflächen der relevanten Rohstoffe seit 31.12.2020 nicht zur Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftlich genutzte Flächen kam und dass es keine Erntevorgänge gegeben hat, die nicht nachhaltig sind und zu einer Verringerung oder zu einem Verlust der biologischen oder wirtschaftlichen Produktivität und Komplexität der Waldökosysteme führen.
Welche Rohstoffe oder Folgeprodukte sind betroffen?
Relevante Rohstoffe
Die Verordnung umfasst aktuell die unten aufgeführten Rohstoffe, die nach gründlichen Analysen als Hauptursache für die Entwaldung aufgrund der Ausweitung der Landwirtschaft gelten. Diese Liste wird regelmäßig geprüft und bei Bedarf überarbeitet, um verändernde Muster zu berücksichtigen.
Ölpalme, Soja, Holz, Rinder, Kakao, Kaffee, Kautschuk
Relevante Folgeprodukte
Außerdem sind Produkte betroffen, die diese Rohstoffe enthalten oder Tiere, die mit diesen Rohstoffen gefüttert wurden. Hierzu einige Beispiele:
- Rinder: lebende Tiere, Fleisch, Schlachtnebenerzeugnisse, nach dem Gerben oder Trocknen zugerichtetes Leder
- Kakao: rohe oder geröstete Kakaobohnen, Kakaomasse, Kakaobutter, Schokolade
- Ölpalme: Palmöl, Palmkernöl
- Kautschuk: Reifen aus Kautschuk, Kleidung und Bekleidungszubehör für alle Zwecke aus Weichkautschuk (z. B. Handschuhe)
- Holz: Holzkohle, Möbel, Papier
Welche Unternehmen sind betroffen?
Von der Verordnung betroffene Marktteilnehmer sind Unternehmen, die Produkte innerhalb der EU in den Verkehr bringen (Hersteller und Importeure), bereitstellen (Händler) oder aus der EU ausführen (Exporteure).
Die Verordnung stuft Nicht-KMU-Händler ebenso wie Hersteller und Importeure als Marktteilnehmende ein, die die vollen Pflichten zu erfüllen haben.
Lediglich für kleine und mittelgroße Unternehmen im Sinne der Richtlinie 2013/34/EU sieht die Verordnung Erleichterungen vor.
KMU (Kleinst-, kleine oder mittlere Unternehmen) sind Unternehmen mit unter 250 Mitarbeitenden und/oder 40 Mio. Euro Jahresumsatz und/oder 20 Mio. Euro Bilanzsumme.
Anforderungen, die sich aus der Verordnung ergeben
Relevante Rohstoffe und Erzeugnisse dürfen nur dann in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt und ausgeführt werden, wenn alle drei folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Sie sind entwaldungsfrei.
- Sie wurden gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes produziert (Menschenrechte, Arbeitsrecht, Anti-Korruptions-Gesetze, Naturschutzgesetze etc.).
- Es liegt eine Sorgfaltserklärung vor.
Bevor relevante Erzeugnisse ausgeführt, in Verkehr gebracht oder auf dem Markt bereitgestellt werden, müssen
1. Informationen, Daten und Unterlagen gesammelt werden, die belegen, dass die oben genannten drei Punkte erfüllt wurden:
Dazu gehören beispielsweise folgende Informationen:
Genaue Beschreibung, Mengen der Erzeugnisse, Liste aller relevanten Rohstoffe/Erzeugnisse, die enthalten sind oder zur Herstellung verwendet wurden; Adressen von Unternehmen von denen Erzeugnisse bezogen wurden und Adressen aller Unternehmen, an die Erzeugnisse geliefert wurden; Geolokalisierung aller Grundstücke, die zur Erzeugung genutzt wurden; Schlüssige und überprüfbare Informationen, dass Erzeugnisse entwaldungsfrei sind und dass die Rechtsvorschriften des Landes eingehalten wurden.
2. Risikobewertungen der Informationen und Unterlagen durch die Unternehmen auf Konformität erfolgen.
Relevante Erzeugnisse dürfen nur dann in Verkehr gebracht oder ausgeführt werden, wenn die Risikobewertung kein oder nur ein vernachlässigbares Risiko ergibt, dass die Erzeugnisse nicht konform sind.
Hierzu müssen beispielsweise folgende Kriterien berücksichtigt werden:
- Individuelles Risiko (nach Einstufung EU-Kommission) des Erzeugerlands
- Präsenz und Kooperation von indigenen Völkern
- Quelle, Zuverlässigkeit und Gültigkeit der gesammelten Informationen
- Bedenken in Bezug auf das Erzeugerland (Korruption, mangelnde Strafverfolgung, Einhaltung von Menschenrechten etc.)
- Komplexität der Lieferkette und Verarbeitungsstufe der relevanten Erzeugnisse (Zuordnung Grundstücke)
- Verbreitung der Entwaldung oder Waldschädigung
- Risiko der Umgehung der EUDR bzw. Risiko der Vermischung mit Erzeugnissen, die mithilfe von Entwaldung entstanden sind
- Schlussfolgerungen der Sachverständigengruppe der Kommission
Betroffene Unternehmen müssen die Risikobewertung dokumentieren und mindestens einmal jährlich überprüfen sowie auf Verlangen zur Verfügung stellen. Die Risikobewertung muss darüber hinaus nachvollziehbar sein.
3. ggf. Maßnahmen zur Risikominderung veranlasst werden.
Ergibt die Risikobewertung, dass ein nicht vernachlässigbares Risiko besteht, so muss der Marktteilnehmer Maßnahmen zur Risikominderung (Audits, Anforderung zusätzlicher Unterlagen) veranlassen.
Sorgfaltserklärungen nach Anhang II der Verordnung müssen den zuständigen Behörden vor Inverkehrbringen oder Ausfuhr übermittelt werden.
Mit der Übermittlung der Sorgfaltserklärung übernimmt der Marktteilnehmer die Verantwortung dafür, dass die Erzeugnisse der Verordnung entsprechen.
Eine in der Lieferkette vorgelagerte erfüllte Sorgfaltspflicht entbindet nachfolgende Marktteilnehmer nicht von der Pflicht die Sorgfaltspflicht ihrerseits zu erfüllen!
Zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht muss von den Marktteilnehmenden ein Rahmen von Verfahren und Maßnahmen eingeführt und auf dem neuesten Stand gehalten werden = «Sorgfaltspflichtregelung».
Die Sorgfaltspflichtregelung muss mindestens einmal jährlich auf Aktualität überprüft und die Aufzeichnungen hierzu mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden.
Nicht-KMU-Marktteilnehmer müssen jährlich öffentlich zugänglich möglichst ausführlich über ihre Sorgfaltspflichtregelung berichten.
Informationssystem der EU Kommission
Bis zum 30. Dezember 2024 errichtet und unterhält die Kommission ein Informationssystem, das die Sorgfaltserklärungen enthält. Gesetzliche Systemanforderungen sind:
- Registrierung von Marktteilnehmern und Händlern und ihren Bevollmächtigten in der Union
- Registrierung von Sorgfaltserklärungen, einschließlich der Übermittlung einer Referenznummer für jede durch das Informationssystem übermittelte Sorgfaltserklärung an den betreffenden Marktteilnehmer oder Händler
- Bereitstellung der Referenznummern bestehender Sorgfaltserklärungen
- Wenn möglich die Umwandlung von Daten aus einschlägigen Systemen zur Ermittlung der Geolokalisierung
- Registrierung der Ergebnisse der Kontrollen von Sorgfaltserklärungen
- Zusammenschaltung mit dem Zoll über die Single-Window-Umgebung der Europäischen Union für den Zoll gemäß Artikel 28, auch um die Mitteilungen und Ersuchen nach Artikel 26 Absätze 6 bis 9 zu ermöglichen
- Bereitstellung einschlägiger Informationen zur Unterstützung der Erstellung der Risikoprofile für den Kontrollplan einschließlich der Kontrollergebnisse, der Risikoprofile für Marktteilnehmer, Händler sowie relevante Rohstoffe und relevante Erzeugnisse zum Zweck der Ermittlung – auf der Grundlage elektronischer Datenverarbeitungstechniken – der Marktteilnehmer und Händler sowie der relevanten Erzeugnisse, die von den zuständigen Behörden zu kontrollieren sind
- Erleichterung der Amtshilfe und Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden sowie zwischen den zuständigen Behörden und der Kommission beim Austausch von Informationen und Daten
Die Überlegungen zu dem Informationssystem finden im Rahmen der Expertengruppe der EU-Kommission «Multistakeholder Platform on protecting and restoring the Worlds-Forests» statt. Mitglieder sind ausschließlich Unternehmensverbände und NGOs einschlägiger Sektoren entlang der gesamten Lieferkette. Der Handel ist mit zwei Sitzen über EuroCommerce vertreten. Die Plattform bestand bereits vor der Entwaldungsverordnung – für die nun teils sehr technischen Anforderungen an die Praktikabilität des Informationssystems bestehen nur sehr wenige Kenntnisse bei den Teilnehmern.